Sivan Ben Yishai – Die tonight, live forever oder Das Prinzip Nosferatu
Gekapertes Subjekt
Ein Gespräch mit Michael Königstein
März 2022. Der Mensch wird zum Vampir, der sein Gegenüber aussaugt: eine Gruselgeschichte. Oder eine Allegorie auf den globalen Kapitalismus. Während die ersten Inszenierungen von Sivan Ben Yishais "Die tonight, live forever oder Das Prinzip Nosferatu" vor allem auf den zweiten Aspekt abzielten, lässt Michael Königstein am Staatstheater Nürnberg auch den Horror zu. Und ist damit für den Nachspielpreis nominiert

Michael Königstein, Sie haben vergangenen Herbst am Staatstheater Nürnberg die mittlerweile dritte Inszenierung von Sivan Ben Yishais „Die tonight, live forever oder Das Prinzip Nosferatu“ auf die Bühne gebracht. Wie wurde der Abend aufgenommen? War der gut besucht?
Michael Königstein: Die Premiere war gut besucht. Dann kam uns aber Corona dazwischen, die letzten Vorstellungen sind nacheinander ausgefallen, und mittlerweile läuft es erst wieder an. Noch ist das Haus ein bisschen leergefegt, auch weil in Bayern jetzt erst wieder 50 Prozent der Plätze belegt werden dürfen.
Eigentlich will ja niemand Zweit- und Drittinszenierungen machen. Alle interessieren sich für Uraufführungen, da kommt die große Presse, es gibt überregionale Aufmerksamkeit. Mit Zweitinszenierungen gewinnt man überregional keinen Blumentopf, und viel Publikum kommt auch nicht, weil das Publikum "Hamlet" sehen möchte.
Michael Königstein: Ich habe die Inszenierung als Debütant aus einer Regieassistenz heraus gemacht, da stellte sich diese Frage ganz anders. Es ist natürlich so, dass ich keine Uraufführung bekomme, aber sowohl im Sinne des Nürnberger Spielplans als auch wegen meines eigenen Interesses sollte ich etwas Zeitgenössisches machen, keinen Klassiker. Entsprechend war von Anfang an klar, dass das eine Zweit- oder Drittinszenierung wird. Aber weil das keine Uraufführung war, konnte ich die Inszenierung auch ziemlich frei gestalten, konnte ich stärker eine Setzung anlegen.
Die Uraufführung inszenierte Marie Bues vor zweieinhalb Jahren in Lübeck. Im Vergleich zu dieser Inszenierung gehen Sie viel deutlicher auf die bekannte "Nosferatu"-Filmästhetik ein.
Michael Königstein: Ich kenne die Inszenierung aus Lübeck gar nicht, ich habe versucht, mich extrem davon fernzuhalten. Es gab auch noch eine zweite Inszenierung in Mannheim, die habe ich auch nicht gesehen. Ich wollte da einen freien Kopf behalten.
Weshalb das denn?
Michael Königstein: Das liegt vielleicht auch an der Nervosität, die ich in meiner speziellen Rolle als Debütant hatte. Und ich wollte erst einmal das eigene Ding machen. Ich hatte ein bisschen Angst: Wenn ich mir die Uraufführungsinszenierung anschaue und da eine gute Idee sehe, dann kann ich die nicht einfach kopieren. Wenn ich aber etwas mache, ohne zuvor gesehen zu haben, dass Marie Bues es in Lübeck ganz ähnlich gemacht hat, bin ich viel entspannter.
Und was bedeutet der Film "Nosferatu" jetzt für Ihre Inszenierung?
Michael Königstein: Der Film bestimmt den Ort, an dem die Figuren sich treffen: ein alter, verlassener Lost Space, ein Kino. Und der stellt die vierte Figur des Stücks dar. Das ist bei mir deutlicher als im Text, in dem diese vierte Figur nur mit einem der Protagonisten spricht, mit dem queeren Immobilienmakler nämlich. Bei uns tritt sie viel deutlicher in die Handlung ein. Und wir beziehen uns auch ganz klar darauf, wenn eine Figur wie der Vampirdarsteller Max Schreck aus der Kinoleinwand heraustritt. Die Folie des Films nutzen wir, um die Horrorästhetik deutlicher herauszuarbeiten.
Ihre Inszenierung zeigt ein traditionelles Stück. Die Vorlage ist ja eher eine Textfläche, und Marie Bues in Lübeck hat sie auch so inszeniert. Aber Sie wollten etwas erzählen, oder?
Michael Königstein: Genau. Bei uns durchlaufen alle drei Figuren ein Narrativ, über das sie jeweils zum Vampir werden. Das Narrativ des Vampir-Werdens ist auch schon im Text von Sivan Ben Yishai drin, ich habe aber den Weg der direkten Verkörperung dieser Erzählstränge gewählt, weil das auf unterschiedliche Art die Verinnerlichung der kapitalistisch-vampiristischen Ausbeutung zeigt.
Sivan Ben Yishai ist ja eine bekannte Dramatikerin, und es kommt nicht von ungefähr, dass "Die tonight, live forever oder Das Prinzip Nosferatu" mehrfach nachgespielt wird, demnächst folgt ja auch noch eine Inszenierung in Dortmund. War das eigentlich Ihre Idee, das Stück zu machen?
Michael Königstein: Es gab eine ganz grobe Absprache mit der Dramaturgie: Wir wollten etwas Zeitgenössissches machen, und zwar am besten eine Autorin. Ich habe mir dann dieses Stück ausgesucht. Und es ergibt ja auch Sinn, dass das gerade viel gespielt wird –wir befinden uns in einer Zeit, in der wir noch stärker auf uns selbst zurückgeworfen sind als eh schon. Und das Stück zeigt auf, wie das Subjekt vom Neoliberalismus gekapert wurde, wie man modifiziert wurde als Unternehmer seines selbst.
Im Bild (v. vorne nach hinten): Cem Lukas Yeginer, Anna Klimovitskaya, Cem Lukas Yeginer (Video) © Konrad Fersterer
Der Begriff "Unternehmer seines selbst" ist ein Begriff, der oft für die durchliberalisierte Kunst- und Theaterszene verwendet wird. Diese Szene taucht aber weder bei Ihnen noch im Stück auf.
Michael Königstein: Ja, das ist aber implizit auch gemeint. Bernd Stegemann hat die Idee herausgearbeitet, dass die Theaterszene das neoliberale Selbstausbeuten längst vorgelebt hat. Wenn der Künstler sagt, er mache seine Arbeit für sich, weil die seinem Leben Sinn gebe, dann wird das mittlerweile auf alle Berufsfelder ausgeweitet. Und heute muss jede Arbeit "erfüllend" sein, bis vor ein paar Jahren war das hauptsächlich die Künstlerwelt.
Sie sind mittlerweile gar nicht mehr in Nürnberg.
Michael Königstein: Nein, ich bin jetzt am Schauspiel Köln. Weiter als Regieassistent.
Das heißt, "Die tonight, live forever oder Das Prinzip Nosferatu“ war ihre Abschiedsinszenierung am Haus?
Michael Königstein: Ursprünglich war das für meine letzte Spielzeit am Haus angesetzt. Der Abend wurde auch im Frühjahr geprobt, und im Herbst, als ich schon weg war, kam er dann zur Premiere. Wir haben dann noch drei Tage Wiederaufnahmeproben gemacht und ihn dann rausgebracht.
Das Interview führte Falk Schreiber.
>Programm
Zwinger 1
Theater und Orchester Heidelberg
Maria Magda
von Svenja Viola Bungarten
Regie: Brit Bartkowiak
Alter Saal
Gastspiel Theater Münster
von Felicia Zeller
Regie: Max Claessen
Uraufführung
anschl. Publikumsgespräch
Sprechzimmer
Gastspiel HAU Berlin / Onlinetheater.live
von Kathi Kraft, Toni Minge, Luzia Oppermann + Caspar Weimann
Betreutes Spielen mit Onlinetheater.live
Eintritt frei
Zwinger 3
Deutschsprachiger Autor:innenwettbewerb I
13:30 Uhr zwei herren von real madrid von Leo Meier
14:30 Uhr Wald von Miriam V. Lesch
16:00 Uhr Judith Shakespeare - Rape and Revenge von Paula Thielecke
Die Lesungen werden live www.theaterheidelberg.de gestreamt. Die Aufzeichungen sind anschließend auf www.theaterheidelberg.de abrufbar.
Zwinger 1
Gastspiel Münchner Kammerspiele / Otto Falckenberg Schule
von Ayşe Güvendiren
Regie: Ayşe Güvendiren
Uraufführung
anschl. Publikumsgespräch
Marguerre-Saal
Gastspiel Schauspielhaus Bochum
frei nach Dante Alighieri, Meat Loaf und Britney Spears
Regie: Christopher Rüping
Uraufführung
anschl. Publikumsgespräch
Foyer
Podium:
Exil und Empowerment
2017 war die Ukraine Gastland beim Heidelberger Stückemarkt. Wie ist die aktuelle Situation für Theaterschaffende? Welchen Beitrag können Kulturinstitutionen in Deutschland leisten?
Mit: Ernst Lüdemann (Deutsch-ukraische Gellschaft), Oksana Sawtchenko (nominiert für den internationalen Autor:innenwettbewerb 2017) und Anastasiia Kosodii (Theaterautorin, Projekteiterin). Moderation: Susanne Burkhardt (Deutschlandfunk Kultur). Es wird eine deutsch-ukrainische Simultan-Dolmetschung angeboten.
Eintritt Frei
Zwinger 3
Deutschsprachiger Autor:innenwettbewerb Teil II
13:30 Uhr Pirsch von Ivana Sokola
14:30 Uhr Hascherl von DIEZEN kollektiv
16:00 Uhr OLM von Philipp Gärtner
Die Lesungen werden live www.theaterheidelberg.de gestreamt. Die Aufzeichungen sind anschließend auf www.theaterheidelberg.de abrufbar.
Sprechzimmer
Gastspiel HAU Berlin / Onlinetheater.live
von Kathi Kraft, Toni Minge, Luzia Oppermann + Caspar Weimann
Betreutes Spielen mit Onlinetheater.live
Eintritt frei
Alter Saal
Gastspiel Theater Bremen
REVUE. Über das Sterben der Arten
von Jan Eichberg, Felix Rothenhäusler und Theresa Schlesinger
Regie: Felix Rothenhäusler
Uraufführung
anschl. Publikumsgespräch
Marguerre-Saal
Gastspiel Düsseldorfer Schauspielhaus
In den Gärten oder Lysistrata Teil 2
von Sibylle Berg
Regie: Christina Tscharyiski
Nominiert für den Nachspielpreis >
anschl. Publikumsgespräch
Zwinger 1
Gastspiel Theater Erlangen
Aufruf an Alle! - 100 Jahre Sophie Scholl (14+)
Stückentwicklung
Regie: Pascal Wieandt
Nominiert für den Jugendstückpreis >
anschl. Publikumsgespräch
Maguerre-Saal
Gastspiel Schauspiel Leipzig / Deutsches Theater Berlin
von Sarah Kilter
Regie: Thirza Bruncken
Uraufführung
anschl. Publikumsgespräch
Zwinger 1
Gastspiel Consol Theater Gelsenkirchen
Löwenherzen (10+)
von Nino Haratischwili
Regie: Andrea Kramer
Mülheimer Kinderstückepreis 2021
anschl. Publikumsgespräch
Zwinger 3
Gastspiel Theaterhaus Jena
von Susanne Frieling und Ensemble
Regie: Susanne Frieling
Uraufführung
anschl. Publikumsgespräch
Marguerre-Saal
Gastspiel Maxim Gorki Theater Berlin
Filmvorführung des Theaterfilms von Jchj V. Dussel
Mit einem Center Piece von Raphaël Amahl Khouri
Deutsch mit englischen Untertiteln
Produktion: Paul Spittler
anschl. Publikumsgespräch
Anschließend für weitere 24h auf www.heidelbergerstueckemarkt.de abrufbar.
Maguerre-Saal
Gastspiel Schauspiel Köln
von Thomas Melle
Regie: Rafael Sanchez
Nominiert für den Nachspielpreis >
anschl. Publikumsgespräch
Alter Saal
Gastspiel Schauspielhaus Wien
von Anna Neata
Regie: Rieke Süßkow
Uraufführung
anschl. Publukumsgespräch
Zwinger 1
Gastspiel Schauspiel Hannover
Vater unser (15+)
nach dem Roman von Angela Lehner
Regie: Hannah Gehmacher
Nominiert für den Jugendstückepreis >
anschl. Publikumsgespräch
Zwinger 1
Gastspiel Schauspiel Hannover
Vater unser (15+)
nach dem Roman von Angela Lehner
Regie: Hannah Gehmacher
Nominiert für den Jugendstückepreis >
anschl. Publikumsgespräch
Zwinger 3
Gastspiel Staatstheater Nürnberg
Die Tonight, Live Forever oder Das Prinzip Nosferatu
von Sivan Ben Yishai
Regie: Michael Königstein
Nominiert für den Nachspielpreis >
Anschl. Publikumsgespräch
Alter Saal
Gastspiel Theater an der Parkaue Berlin
Krummer Hund (14 +)
nach dem Roman von Juliane Pickel
Regie: Alexander Riemenschneider
Nominiert für den Jugendstückepreis >
anschl. Publikumsgespräch
Alter Saal
Gastspiel Theater an der Parkaue Berlin
Krummer Hund (14+)
nach dem Roman von Juliane Pickel
Regie: Alexander Riemenschneider
Nominiert für den Jugendstückepreis >
anschl. Publikumsgespräch
Sprechzimmer
Gastspiel Theater Rampe Stuttgart
Theaterserie nach E. L. Karhu
Regie: Marie Bues und Niko Elefteriadis
anschl. Publikumsgespräch
Anschließend bis zum Ende des Festivals als Stream on Demand
Marguerre-Saal
Gastspiel Münchner Kammerspiele
Who Cares – Können Roboter pflegen?
Von Gesine Schmidt
In einer Fassung von Martín Valdés-Stauber
Regie: Christoph Frick
Uraufführung
anschl. Publikumsgespräch
Zwinger 1
Theater und Orchester Heidelberg
Maria Magda
von Svenja Viola Bungarten
Regie: Brit Bartkowiak
Alter Saal
Konzert der Band "Le Voyeur" aus Madrid
anschließend Party mit DJ
Eintritt frei
Zwinger 3
Eröffnung Gastland-Programm Spanien
Zwinger 3
Internationaler Autor:innenwettbewerb
12:30 Uhr Mein Italienfilm von Rocío Bello
13:30 Uhr Ich will die Menschen ausroden von der Erde von María Velasco
15:00 Uhr Thanatologie von Xavier Uriz
16:00 Uhr Die Feuerfesten (Universum 29) von Ruth Rubio
Die Lesungen werden live www.theaterheidelberg.de gestreamt. Die Aufzeichungen sind anschließend auf www.theaterheidelberg.de abrufbar.
Zwinger 1
Gastspiel Los Bárbaros, Madrid / Centro de Cultura Contemporánea Conde Duque
Die Erklärungen/ Las Explicaciones
von Rocío Bello, Elena H. Villalba, Javier Hernando und Miguel Rojo
Spanisch mit deutschen Übertiteln
(Übersetzung: Charlotte Roos)
anschl. Publikumsgespräch
Alter Saal
Gastspiel Prevee – Draft.inn
Fragen ans Universum / Preguntando Al Universo
von José Manuel Mora
Regie: Carlota Ferrer
Koproduktion mit Madrid Cultura y Turismo, SAU
Spanisch mit deutschen Übertiteln
(Übersetzung: Franziska Muche)
anschl. Publikumsgespräch
Foyer
Podiumsgespräch
Theater in Spanien
Martha Pazos (Regisseurin, "Othello"), José Manuel Mora (Gastlandkurator und Autor von "Fragen an das Universum") und María Velasco (Autorin des Internationalen Autor*innenwettbewerbs mit dem Stück "Ich will die Menschen ausroden von der Erde"). Moderation: Martín Valdés-Stauber. Es wird simultan deutsch-spanisch gedolmetscht.
Eintritt frei
Zwinger 3
Gastspiel Agrupacion Señor Serrano, Barcelona
von Àlex Serrano, Pau Palacios und Ferran Dordal
Produktion: Grec 2016 Festival de Barcelona; Agrupación Señor Serrano; Fabrique de Théâtre – Service des Arts de la Scène de la Province de Hainaut; Festival TNT – Terrassa Noves Tendènecies; Monty Kultuurfaktorij; Festival Konfrontacje Teatralne
Englisch mit deutschen Übertiteln
anschl. Publikumsgespräch
Marguerre-Saal
Gastspiel Voadora in Koproduktion mit Teatro de La Abadía, MIT Ribadavia und Teatro São João
Othello
nach William Shakespeare von Fernando Epelde
Regie: Marta Pazos
Spanisch mit deutschen Übertiteln
(Übersetzung: Miriam Denger)
anschl. Publikumsgespräch
Alter Saal
Preisverleihung
Eintritt frei
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