Gastspiel Deutsches Schauspielhaus Hamburg – Out There
Abschicken, löschen, neuschreiben
Kann man sich auf Distanz ineinander verlieben? Sehr gut sogar, wie Stanislava Jevićs "Out There" zeigt. Regisseurin Dominique Enz hat in ihrer Hamburger Uraufführungsinszenierung für die räumliche Trennung ein schlüssiges Bild gefunden.
Von Georg Kasch
4. Mai 2023. Wie stehen die Chancen, dass eine Liebe hält, die über die Distanz entsteht? Nicht so gut. Zu groß ist die Gefahr, den oder die andere(n) zur Projektionsfläche für die eigenen Bedürfnisse zu machen, zu fragil sind oft noch gemeinsame Narrative, um Irritationen zu überbrücken. Und so deuten Autorin Stanislava Jević und Regisseurin Dominique Enz mit mehreren Schluss-Varianten an, wie die Geschichte von Angelina und Leo ausgehen könnte: zerbrochen an unterschiedlichen Bedürfnissen und Verpflichtungen.

Denn was ist eher zum Scheitern verurteilt als jugendliche Liebe? Gerade weil man noch glaubt, dieses alles zerkribbelnde, durchflutende Gefühl könne sämtliche Grenzen überwinden. Angelina und Leo merken in "Out There" ja selbst schnell, wie verschieden sie sind: Angelina lebt als Kind polnischer Migrant:innen in eher bescheidenen Verhältnissen, ist zudem hochgradig eingebunden in Familie, Sport, Musik, Klima-Aktivismus, wird überall gebraucht. Leo hingegen wächst im Wohlstand einer chaotischen Patchworkfamilie auf, wirkt sozial weniger vernetzt, definiert sich als genderfluid, hat Verlustängste.
Wie also sich verständigen? Durch Kommunikation! Sie funktioniert hier – nach einer initialen Begegnung auf einer Fridays-For-Future-Demo – sehr zeitgenössisch über Chats, Sprachnachrichten, FaceTime-Anrufe. Später telefonieren Angelina und Leo lange. Wir erfahren entsprechend viel über die Sehnsüchte, Ängste, Leidenschaften der beiden, sehen sie zugleich unsicher und herrlich pubertär Nachrichten texten, abschicken, löschen, neuschreiben …
Zwei unter einer Decke
Der größte, sehr nachvollziehbare Clou der Uraufführungsinszenierung allerdings wird beim Gastspiel in Heidelberg nur erahnbar. Am Jungen Schauspielhaus Hamburg teilt sich das Publikum zu Beginn, erlebt die Geschichte entweder aus Angelinas oder Leos Perspektive, um die finale Live-Begegnung der beiden dann im Foyer zu verfolgen. Nach Heidelberg aber hat es nur Angelinas schmales Jugendzimmer mit seinen Dachschrägen geschafft; Leos Altbau mit Flügeltüren und Dielen blieb in Hamburg. Deshalb erleben wir alle gemeinsam erst eine knappe Stunde lang Angelinas Perspektive im Zwinger 3, ziehen dann in den Zwinger 1, um im nahezu leeren Raum Leo bei der gemeinsamen Telefonbegegnung zu verfolgen. Draußen, im Hof, gibt’s das (vorläufige) Happy End: zwei unter einer Decke, allen Unbilden und Herausforderungen zum Trotz.
Klimawandel, Klassismus, Verantwortung – das Begleitrauschen einer linken Stadtjugend. © Sinje Hasheider
Das Schöne an diesem Abend ist, wie die Gefühle vibrieren. Und wie schnell alte Konflikthemen wie sexuelle Orientierung oder Genderfragen abserviert werden. Schade allerdings zugleich, wie schnell sie sich abservieren lassen. Viele der aufgerufenen Themen – Klimawandel, Klassismus, Verantwortung, Tod – ergeben das modische Begleitrauschen einer eher linken Stadtjugend in Deutschland heute, gewinnen jedoch kaum Kontur.
Am Ende lautet die Botschaft: Reden hilft, Zuhören erst recht. Das ist ja nicht verkehrt, grundsympathisch und wird von den beiden sehr jugendlich wirkenden Schauspielerinnen Alicja Rosinski und Emma Bahlmann zudem angenehm aufgeregt durchgespielt. Nur findet das ästhetisch keine Widerhaken (allenfalls die schwarzen Brocken und zersplitterten Diskokugeln, die außerhalb der Wohnungen herumliegen, weisen Richtung Verfremdung). Und die angerissenen großen Themen? Sind nicht viel mehr als Stolpersteine auf dem Weg zur großen Umarmung.
von Stanislava Jević
nach einer Idee von Dominique Enz
Regie: Dominique Enz, Bühne und Kostüme: Katrin Plötzky, Komposition: Matthias Schubert, Video: David Schulz, Dramaturgie: Stanislava Jević, Mitarbeit Text: Dominique Enz.
Mit: Emma Bahlmann, Alicja Rosinski.
Dauer: 100 Minuten
Premiere am 22. Mai 2022
www.junges.schauspielhaus.de
>Programm
Zwinger 1
Theater und Orchester Heidelberg
Pirsch
von Ivana Sokola
Regie: Jana Vetten
Alter Saal
Gastspiel FUTUR3 in Zusammenarbeit mit dem Schauspiel Köln und Orangerie Theater Köln
Die Revolution lässt ihre Kinder verhungern
von André Erlen und Stefan H. Kraft
Regie: André Erlen
auf Deutsch und Ukrainisch
mit deutschen und ukrainischen Übertiteln
Uraufführung
Zwinger 3
Deutschsprachiger Autor:innenwettbewerb I
13:30 Uhr
draußen ist wetter (oder die erfindung der straßenverkehrsordnung) von Caspar-Maria Russo
14:30 Uhr
Blaupause von Leonie Lorena Wyss
16:00 Uhr
Doppeltreppe zum Wald von Lamin Leroy Gibba
Zwinger 1
Gastspiel Volkstheater Wien
in Kooperation mit Olivia Axel Scheucher
FUGUE FOUR: RESPONSE
von Olivia Axel Scheucher und Nick Romeo Reimann
Regie: Olivia Axel Scheucher
Uraufführung
Marguerre-Saal
Gastspiel Schauspielhaus Bochum
Baroque
von Lies Pauwels
Regie: Lies Pauwels
Uraufführung
Zwinger 3
Deutschsprachiger Autor:innenwettbewerb Teil II
13:30 Uhr
no shame in hope (eine Jogginghose ist ja kein Schicksal) von Svealena Kutschke
14:30 Uhr
Va†erzunge von Miriam Unterthiner
16:00 Uhr
Dann mach doch Limonade, Bitch von Kim de l’Horizon
Gastspiel Theater Dortmund
Über Leben
oder ἀτλαντὶς νῆσος. oder näher, mein gott, zu dir.
oder alles war für immer bis es aufhörte
von Annalena Küspert und Konstantin Küspert
Regie: Ruven Bircks
Nominiert für den Nachspielpreis
Amtsstübl im Verein Alt Heidelberg
Institut für Kontrolle und Exzess
saufen fechten heidelberg
Eine Theaterperformance zum Thema Studentenverbindungen und Burschenschaften
Rahmenprogramm
=>Tickets
Zwinger 3
Gastspiel Berliner Ensemble
ROT. Die Outtakes des Fabian Michael Möntges
Film von Clemens J. Setz
Regie: Kristina Seebruch
Alter Saal
Gastspiel Schauspiel Hannover
Wir sind nach dem Sturm
von Kevin Rittberger
Regie: Marie Bues
Uraufführung
Maguerre-Saal
Gastspiel Deutsches Schauspielhaus Hamburg
Aus dem Leben
von Brigitte Venator und Karin Beier
Regie: Karin Beier
Uraufführung
Zwinger 3
Gastspiel Junges Ensemble Stuttgart
Oma Monika
Was war? 8+
von Milan Gather
Regie: Milan Gather
Mülheimer Kinderstückepreis 2022
Zwinger 1
Gastspiel Staatsschauspiel Dresden
Die Katze Eleonore
von Caren Jeß
Regie: Simon Werdelis
Uraufführung
Sprechzimmer
Gastspiel Theater im Marienbad Freiburg
What The Body?! 13+
Stückentwicklung von Lisa Bräuniger, Anne Wittmiß und Anna Fritsch
Regie: Anne Wittmiß
Nominiert für den Jugendstückepreis
Alter Saal
Gastspiel Staatstheater Darmstadt
Drei Kameradinnen 14+
von Shida Bazyar, Fassung von Golda Barton
Regie: Isabelle Redfern
Nominiert für den Jugendstückepreis
anschl. Publikumsgespräch
Sprechzimmer
Gastspiel Schauspiel Essen
Die Wand (360°)
Film nach dem Roman von Marlen Haushofer
VR-Fassung von Thomas Krupa
Vorstellungen um 11:Uhr, 13:30 Uhr, 18:30 Uhr
Dauer: jeweils ca. 1 Stunde
Zwinger 1 + 3
Gastspiel Theaterakademie Hamburg in Kooperation mit Junges Schauspielhaus Hamburg
Out There 13+
von Stanislava Jević
Regie: Dominique Enz
Nominiert für den Jugendstückepreis
Alter Saal
Gastspiel Burgtheater Wien
Adern
von Lisa Wentz
Regie: David Bösch
Uraufführung
Zwinger 1 + 3
Gastspiel Theaterakademie Hamburg in Kooperation mit Junges Schauspielhaus Hamburg
Out There 13+
von Stanislava Jević
Regie: Dominique Enz
Nominiert für den Jugendstückepreis
Alter Saal
Gastspiel Theater Basel
Wie alles endet
von Manuela Infante
Regie: Manuela Infante
Uraufführung
Zwinger 1
Gastspiel Schauspiel Frankfurt
Die letzte Geschichte der Menschheit
von Sören Hornung
Regie: Leon Bornemann
Nominiert für den Nachspielpreis
Marguerre Saal
Philharmonisches Orchester Heidelberg
Konzert
Sonderprogramm mit Musik aus Schweden und Finnland
Rahmenprogramm
Zwinger 3
Gastspiel OutOfTheBox in Kooperation mit LOT-Theater Braunschweig
In Ghosts We Trust
von Susanne Schuster und Ricardo Gehn
Dauer: jeweils 1 Stunde
Zeitslots:
10:00 /11:30 /
13:00/ 14:30 /
16:00/ 17:30 /
19:00/ 20:30
Alter Saal
Gastspiel Schauspiel Leipzig
zwei herren von real madrid
von Leo Meier
Regie: Albrecht Schroeder
Zwinger 3
Eröffnung Gastland-Programm Schweden
Zwinger 3
Internationaler Autor:innenwettbewerb
13:30 Uhr Leichenschmaus von Alejandro Leiva Wenger
14:30 Uhr Girls will make you blush von Åsa Lindholm
16:00 Uhr Hierarchy of Needs von Adel Darwish
Zwinger 1
Gastspiel Deutsches Theater Berlin
Das Augenlied ist ein Muskel
von Alexander Stutz
Regie: Jorinde Dröse
Uraufführung
Alter Saal
Gastspiel Dramaten in Kooperation mit Lumor Teater Stockholm
Ambulanz
von Paula Stenström Öhman
Regie: Paula Stenström Öhman
Schwedisch mit deutschen Übertiteln
Sprechzimmer
Theater in Schweden
Podiumsgespräch
Eintritt frei
Alter Saal
Gastspiel Backa Teater Göteborg
Glücklich bis ans Ende unserer Tage [10+]
Lyckliga i alla våra dagar
von Emma Palmkvist
Regie: Lars Melin
Schwedisch mit deutschen Übertiteln
Marguerre-Saal
Gastspiel Orionteatern Stockholm in Kooperation mit Riksteatern
… Anna Karenina
Det har aldrig funnits en kvinna som Anna Karenina
von Tone Schunnesson
Regie: Ragna Wei
Schwedisch mit deutschen Übertiteln
Alter Saal
Preisverleihung
Eintritt frei
.