Gastspiel Junges Ensemble Stuttgart – Oma Monika – was war?
Ich bin ein Commodore 64
Kuchenteigmixen mit einem Föhn? Ein Interview führen mit dem Papst? Balthasars Großmutter kennt viele Realitäten. Milan Gather zeigt in "Oma Monika – was war?" einen Umgang mit Demenz, bei der die Gegenwart relativ wird und sich Zeiten überlagern.
Von Dorte Lena Eilers
2. Mai 2023. Eigentlich ist alles wie immer. Balthasar sitzt mit seiner Großmutter in der Küche und löst Kreuzworträtsel. Dass sie zwischendurch mal mit dem Föhn Kuchenteig mixen will – geschenkt. Kann schließlich jedem passieren. Wirklich jedem? Balthasar zögert – und lacht. Irgendwie sind diese Aktionen ja auch ganz lustig.

"Wann kommen eigentlich deine Eltern?"
In der digitalen Welt würde man die Aussetzer, die Oma Monika zeigt, liebevoll Glitches nennen. Programmierfehler, die für Computer-Nerds sogar poetisch sind. Doch auf den Menschen bezogen gönnen wir uns einen solchen Blick nicht. Demenz – so lautet die niederschmetternde Diagnose. "Oma Monika – was war?" von Milan Gather, von ihm selbst für das Junge Ensemble Stuttgart inszeniert, ist als Gewinnerstück des letztjährigen Mülheimer KinderStückePreises nach Heidelberg geladen. Es ist ein Stück für Kinder ab acht Jahren und erzählt als Zweipersonendrama direkt und ungeschönt von den Auswirkungen einer heraufziehenden Demenz. Enkel Balthasar (Sebastian Kempf) ist oft zu Besuch bei seiner Oma (Brigitte Dethier). In der Regel holen ihn seine Eltern abends dann wieder ab. Nur heute nicht, denn heute soll er bei ihr übernachten. "Wann kommen eigentlich deine Eltern?" – "Aber Oma, sie holen mich doch erst morgen ab" ist ein häufig geführter Dialog.
Wenn der Enkel die Oma interviewt: Brigitte Dethier, Sebastian Kempf ©Alex Wunsch
Carolin Mittler hat den beiden Spieler:innen eine wunderbare Bühne gebaut: Die schwarz-weiß gepunktete Küche im Stil der 60er Jahre ist von Perlenvorhängen umgeben, als wären die Wandtapeten wie Monikas Gedächtnis bereits löchrig. Je länger der Abend dauert, desto deutlicher wird für Enkel und Großmutter die Situation. Das Versteck für die Schokolade geht verloren sowie die Erinnerung an Oma Monikas Beruf, während andere Geschichten, die zeitlich noch weiter zurückliegen, wie ein Schwall aus Monika hervorquellen.
Wenn die Gegenwart relativ wird
Balthasar versucht, allen Windungen und Irrungen zu folgen, bis das Überspielen der Lücken mit einem peinlichen Lachen irgendwann schlicht nicht mehr reicht. Es hilft nichts, er spielt mit: Mal schlüpft er in die Rolle von Monikas Mann, dann ist er ihre Mutter. Mal erkennt sie ihn gar nicht, dann nicht mal mehr sich selbst. Bei diesem liebevollen Spiel mit Rollen, Identitäten, Erinnerungsbruchstücken, bei dem die Gegenwart relativ wird und sich Zeiten überlagern, wird die Küche zur Bühne. Stehlampen entpuppen sich als Mikro, aus dem Herd wird ein wohlklingender Bass, am Hirschgeweih hängt eine E-Gitarre und aus dem Wackeldackel glimmt – "Das Versteck!" – plötzlich Licht.
Milan Gather gibt mit seinem Text keine Gebrauchsanweisung, wie mit dem Thema Demenz umzugehen sei. Es bleibt, bei aller "Spielfreude" von Oma und Enkel (und somit auch von Brigitte Dethier und Sebastian Kempf) ein emotionaler Schlingerkurs, bei dem der Enkel brüllend auch mal die Nerven verliert oder die Großmutter zu verwahrlosen droht. Dass mit Dethier die Gründungsintendantin des Jungen Ensemble Stuttgart auf der Bühne steht, hat dabei seinen ganz eigenen Charme. Am Ende sitzt sie als Oma Monika auf einem Stuhl, von ihrem Enkel auf der E-Gitarre begleitet, und zählt die ganzen Identitätspotenziale auf, die sie einnehmen könnte. "Ich bin eine Journalistin. Ich bin eine Literaturnobelpreisträgerin. Ich bin eine Mohnblume. Ich bin ein Commodore 64." Eigentlich also alles wie immer. Immer anders.
von Milan Gather
Regie: Milan Gather, Bühne und Kostüme: Carolin Mittler, Musik: Öğünç Kardelen, Dramaturgie: Christian Schönfelder, Theaterpädagogik: Daphna Horowitz, Licht: Henning Hansen.
Mit: Brigitte Dethier, Sebastian Kempf.
Dauer: 1 Stunde, keine Pause
www.jes-stuttgart.de
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